Dieses Mal wird es ein langer Blogeintrag, da eine Woche sehr interessanter Ferien hinter mir liegt.
Dennoch möchte ich gerne an meinem letzten Eintrag anknüpfen. Die wunderbare Begrüßung meiner Schülerinnen letzte Wochebegrüßt darf definitiv nicht vergessen werden. "Good morning, Mana Lina, you are so fat!". Ja, das sollte auch genau das heißen. Dabei strahlten sie mich alle an. Ich habe mich dann für das nette Kompliment bedankt und ihnen geraten, das nie wieder zu einem Ausländer zu sagen, da es manche Menschen sehr verletzen könnte.
Die Heilige Woche (also die Woche vor Ostersonntag, mit Gründonnerstag und Karfreitag) war frei. Gemeinsam mit meiner timoresischen Freundin Betty sollte es erst nach Suai an die Südküste und dann in die Berge nach Aituto gehen.
Am Sonntag sind wir also, natürlich nach der Messe, mit sieben weiteren Kolleginnen nach Dili gefahren. Ich habe bei der Familie meiner Betreuerin geschlafen und durfte, nach acht Monaten, endlich beim Kochen und Abwaschen helfen! Ein großer Triumph!
Am nächsten Morgen hat Betty mich früh morgens abgeholt und wir sind zu dem Platz gefahren an dem der Bus abfährt. Eigentlich ist das nur eine normale Straße mit ein paar Ständen an denen Brot, Getränke, Süßigkeiten und Zigaretten verkauft werden. Ich konnte sie mir sehr genau angucken, da der Bus erst nach vier Stunden kam. An dieser Stelle ein Hoch auf den Busfahrplan und zehnminütige Verspätungen. In diesen vier Stunden habe ich auch Fein- (und Grobstaub, wenn es so etwas gibt) für mindestens drei Menschenleben eingeatmet, weil ständig Trucks und Busse vorbeigefahren sind. Nur leider nicht nach Suai.
Irgendwann kam dann aber ein Bus mit der Aufschrift 'Dili-Suai' und nachdem 50 Menschen, unzählige Körbe und Plastiktüten, ein Käfig mit Hühnern und ein Motorad verstaut wurden, konnten wir fahren. Nach ca. 3 Minuten fingen die ersten Gespräche an, später wurde ich dann noch genötigt zu singen (zum Glück habe ich ein paar timoresische Lieder gelernt), wurde nach ganz vielen englischen Wörtern gefragt und musste natürlich ganz viele Fotos machen.
Ich wurde im Vorhinein ständig vor der schlechten Straße gewarnt und habe dies ein wenig als Überbesorgnis abgetan. Im Endeffekt waren alle Warnungen total berechtigt. Allein die Tatsache, dass wir für weniger als 200 km zwölf Stunden gebraucht haben (exklusive der halben Stunde Pause), spricht für sich. Aber es ist ja auch Ende der Regenzeit, jetzt ist die Straße auch am Schlechesten. Die Regel mit den 20 Minuten Pause nach zwei Stunden Fahrzeit ist hier noch nicht angekommen. Der Fahrer ist die 12 Stunden gefahren. Und das bei der Straße, der muss eine Konzentration haben!
Ein Rauchverbot ist in den öffentlichen Verkehrsmitteln leider nicht vorhanden. Ich saß eingekeilt zwischen einem Tiu (Onkel, also ein älterer Herr), Betty und einem 17-jährigen Jungen. Der ältere Herr und der Junge haben sich mit dem Rauchen quasi abgewechselt, sodass Betty und ich 12 Stunden passiv rauchen konnten. Soviel zum Thema, dass die Kultur die Gesundheit der Frauen schützt, da diese eher nicht rauchen.
Letzten Endes sind wir aber gut, wenn auch total erledigt, mitten in der Nacht bei den Nonnen in Suai angekommen. Es wurde sogar auf uns gewartet und obwohl ich eigentlich nur noch schlafen wollte, gab es erstmal etwas zu essen.
Am nächsten Tag wurde uns als erstes die neue Kirche gezeigt. Es ist die größte Kirche des Landes und passt so gar nicht in die Stadt (Foto folgt). Natürlich haben wir erstmal ganz viele Fotos vor dem Altar gemacht, wobei mir aufgefallen ist, dass man hier in einer Kirche ganz schön laut sein darf. Interessant war das Kreuz, das mit traditionellem Schmuck und gewebtem Stoff (tais) verziehrt war. Wieder einmal eine Vermischung von Christentum und traditionellem Glauben.
Nachdem das Wichtigste (die Kirche) also abgehakt war, wurde uns auch der Ort gezeigt. Suai ist die Hauptstadt des Distriktes Cova Lima (grenzt im Süden an die Timorsee und im Westen an Indonesien) und hat ca. 8 000 Einwohner. Nicht allzu groß also.
Für mich wichtig war die alte Kirche in der 1999 bei einem Massaker nach dem Unabhängigkeitsrefendum 200 Menschen getötet wurden. Auch sonst ist hier viel mehr von der Zerstörung zu sehen, die die Indonesier bei ihrem Abzug angerichtet haben. Viele Ruinen von Steinhäusern, die entweder komplett leer stehen oder bei denen ein Raum mit einem Dach bedeckt wurde, so dass ein Raum bewohnt ist, sind zu finden. Auch entschuldigte sich die Schwester mit der wir unterwegs waren, immer wieder für die schlechte Straße und sagte, dass die Straße in der indonesischen Zeit sehr gut war, wie die Häuser aber 1999 zerstört wurde.
Auch waren wir am Strand. Baucau liegt an der Nordküste, also an der Bandasee (Tetum: tasi-feto, Frauenmeer), Suai an der Südküste, also an der Timorsee (Tetum: tasi-mane - Männermeer). Warum diese Namensgebung? Ganz einfach. Das Frauenmeer ist ruhig, man kann sehr gut schwimmen gehen. Das Männermeer ist rau und hat starke Wellen. Und natürlich das Öl im Timorgraben. Dahinter liegt Australien.
Fünf Minuten mit dem Auto vom Strand kommt Öl aus dem Boden. Mitten in der Landschaft, nur ein paar Ziegen stehen in der Gegen herum. Auf Nachfrage hat mir die Schwester erzählt, dass aber auch schon Chinesen und Australier da gewesen seien und dass es Pläne gibt für eine Leitung nach Darwin.
Am Abend haben wir mit den Schwestern timoresische Nachrichten geschaut. Ganz viel Nationales, am Ende dann drei Minuten internationale Nachrichten. Eine Minute zur Ukraine und danach Fußball. Zu meiner Belustigung war als Bildquelle durchgehe 'Youtube.de' angegeben.
Wo ich jetzt schon einmal im Westen Osttimors war, meinten die Schwestern, müsse ich jetzt auch bis zur Grenze fahren.
Das war definitiv eine merkwürdige Angelegenheit. Aber gut, so sind wir ohne Reisepass im Gepäck zur timoresisch-indonesischen Grenze gefahren. Die Grenzbeamten waren sichtlich erstaunt eine Nonne und eine Weiße im Auto zu sehen. Gar nicht erstaunt waren sie allerdings, als die Schwester sagte, wir wollten uns nur die Grenze anschauen. Und so bekamen wir eine Führung, bei der uns auch ganz stolz der Röntgenapparat am Zoll und die zwei Zellen gezeigt wurden. Und natürlich musste ein Foto gemacht werden, bevor wir zum Meer gefahren und schwimmen gegangen sind. Wobei, eigentlich waren wir nicht schwimmen, sondern nur vorne in den Wellen, da das Mädchen, das mit uns gekommen ist nicht schwimmen konnte.
Beim Abendessen stand eine der Schwestern auf (sehr ungewöhnlich! ) und kam mit einer Dose Bier zurück. "Du bist doch eine Deutsche!" Manche Vorurteile sind gar nicht so schlecht.
Nachdem ich mein Bier getrunken hatte, guckte meine Freundin mich an und fragte ob ich jetzt betrunken sei.
Um zwei Uhr in der Nacht klingelte dann mein Wecker und der Bus nach Aituto kam. So pünklich, dass ich ganz perplex war.
Aber da ja nicht alles nach Plan laufen kann war die Brücke nur kurz hinter Suai blockiert. Die Holzbolen (wer baut eine Brücke aus Holz für schwere Trucks, wenn es ständig regnet? ) hatten dem Gewicht eines total überladenen Trucks nachgegeben, der nun feststeckte. Drei Stunden später (kurz vor Sonnenaufgang) war der Truck dann befreit und die Brücke mit eigens dafür gefällten Baumstämmen repariert. Wir durften vorne sitzen, was bedeutet, dass meine Beine nur halb eingeklemmt waren. Die Musik war ganz gut (relativ wenige schlechte Cover oder indonesische Popmusik, dafür ab und an mal Queen).
In den Bergen sind mir die vielen Fretilinflaggen (eine Partei aus der auch der bewaffnete Widerstand hervorging) und Falintilflaggen (der bewaffnete Arm der Fretilin) aufgefallen. In Baucau sieht man diese nur ab und an. Und die vielen Kaffepflanzen!
Die Berge erinnern teilweise ein wenig an die Alpen (sind auch beides alpidische Faltengebirge - danke Erdkunde-LK!). Und Abends ist es sehr, sehr kalt. Ich habe (vermutlich ein wenig übertrieben) mit Abipullover, Wollsocken und zwei Wolldecken geschlafen. Tagsüber war es wärmer, aber ab 5 Uhr abends haben wir gefroren!
Gewohnt haben wir bei Ordensbrüdern. Ein wenig schockiert war ich, dass einer von ihnen dachte, die evangelische Kirche wäre aus Hitler hervorgegangen. Egal wo man hinkommt, er begegnet einem immer wieder. Also ein kleiner Ausflug in die deutsche Geschichte und auch in die Kirchengeschichte. Als Entschuldigung gab es Wein zum Abendbrot.
Abends gab es dann zweieinhalbstündige Gründonnerstagsmesse (Gründonnerstag wird dem letzten Abendmahl gedacht und die Füße einiger Gemeindemitglieder vom Priester gewaschen). Ich war zum ersten Mal die einzige Weiße in einer Messe und wurde entsprechend angestarrt. Ich habe das Gefühl, dass sich nicht allzu häufig Malae nach Aituto verirren. Leider gab es keine Bänke, so dass wir die ganze Zeit stehen mussten.
Wieder wurde viel timoresische Kultur mit in die Messe eingewebt. Ich weiß nicht mehr was, aber etwas wurde durch den Mittelgang zum Altar getragen, dabei tanzten kleine Mädchen in Tais einen traditionellen Tanz. Auch die alten Männer, deren Füße gewaschen wurden, trugen Tais und traditionellen Silberschmuck. Der Katholizismus ist hier halt noch nicht allzu lange großflächig verbreitet.
Der Karfreitag begann mit einer Prozession und den Stationen des Weges zu Jesu Kreuzigung. Die Geschichte wurde nachgespielt, mit den Soldaden auf Pferden und einem Jesus der am Ende ans Kreuz gebunden wurde. Das gesamte Dorf war dabei, vom kleinen Baby bis zu ganz alten Menschen. Der Weg war sehr matschig, ich war sehr froh, das ich meine Flipflops glech zu Hause gelassen hatte.
Danach wurde den ganzen Tag (na gut, fast) gebetet während ich mich klammheimlich aus dem Staub und einen ganz langen Spaziergang gemacht habe. Während ich in Baucau die katholische Messe sehr schön und erade die Predigten des Bischofs echt gut finde, hat mich derPriester in Aituto in den Wahnsinn getrieben. Es schien ein wenig, als wäre er der Mejnung, er habe als einziger Mensch die Bibel verstanden und die dumme Gemeinde müsse nun belehrt werden.
Später sind wir noch zum Einkaufen nach Ainaro ("Stadt") gefahren (2 Stunden hin, 2 zurück). Da das Auto sehr voll war, bin ich auf der Ladefläche gefahren. Normalerweise ein Riesenspaß, aufgrund der Straße diesmal aber streckenweise ein wenig schmerzhaft. Dafür habe ich ein neues Lied gelernt.
Der Karsamstag begann unerwartet sehr früh (5 Uhr), da Betty beschlossen hatte, das Badezimmer putzen zu müssen und das Licht nur in beiden Zimmern gleichzeitig anzuschalten ist. Also habe ich mir (mit dickem Pullover und in eine Wolldecke gewickelt) den Sonnenaufgang angeschaut und mich später bei Betty bedankt (obwohl ich gerne länger geschlafen hätte und das Badezimmer nicht dreckig war!) Den ganzen Tag hat das gesamte Dorf auf dem Kirchengelände alles für den Ostersonntag vorbereitet. Ich durfte überall helfen (kochen, Osterfeuer vorbereiten, Kirchenschmuck vorbereiten und und und) und musste wieder viele Fotos machen (lustigerweise war es diesmal umgekehrt und ich wurde gefragt. Normalerweise frage ich, ob ich fotografieren darf.)
Das Osterfeuer wollte später nicht richtig brennen, also wurde ordentlich Benzin reingesprüht. Immerhin wurde kein Plastik mitverbrannt.
Danach gab es wieder eine Messe (3 Stunden, ohne Sitzmöglichkeit) und danach ein Essen bei den Brüdern. Ich wurde mit den 9 Dorfältesten an den einzigen Tisch im Haus gesetzt. Das war unglaublich witzig! Und Bettys Frage nach dem Betrunkensein hatte plötzlich einen Sinn. Nach zwei Dosen Tiger-Bier waren die Herren beschwipst.
Der Ostersonntag begann mit den Tischgesprächen vom Vorabend. Die hatte Betty nämlich mit ihrem Handy aufgenommen und hörte sie sich nun als Guten-Morgen-Geschichte noch einmal an.
Die Ostermesse war zum Glück nur zwei Stunden lang, denn die wollte ich nicht schwänzen. Gut so, denn am Ende wurden wir nach vorne gerufen und bekamen einen Tais geschenkt. Dann sollte ich vor der gesamten Gemeinde ein paar Worte sagen. Der Priester vor mir hatte mit "Viva Igresia (Kirche) Aituto, Viva Glaubensgemeinschaft der Canossianer, Viva Papst Franziskus" schon die ganze Gemeinde wachgerüttelt. Es hat aber gereicht, die Rede eibfach auf Tetum zu halten und mich für die Messen, die Gastfreundschaft und die gemeinsame Zeit der Vorbereitung auf das heilige Osterfest zu bedanken. Auch nicht vergessen habe ich meine Madre in Baucau, deren Idee die Reise war und Maromak (Gott), der Bettys und meinen Weg nach Aituto geleitet hat. Und, um das Ganze echt timoresisch zu machen, habe ich mich noch für die mir gegebene Zeit und den mir gegebenen Raum für die Rede bedankt und mich entschuldigt, falls ich jemanden verärgert haben sollte.
Dann ging es auch schon zurück nach Dili. Ich wusste, dass zwei der Brüder uns mit dem Auto mitnehmen wollten. Ich wusste aber nicht, dass es ein Polizeiauto mit zwei bewaffneten Polizisten sein sollte (einer ist der Cousin des einen Priesters, deswegen, nicht wegen der Sicherheit). Nun war ein Platz im Auto für mich eingeplant, Betty aber sollte auf der Ladefläche sitzen. Da mir das unmöglich erschien, fand ich mich also auf der Ladefläche zwischen einem Sack Reis, zwei Koffern, mehreren Päckchen und vier Menschen wieder. Und weil wir ja in den Bergen waren, fing es auch ziemlich bald an zu regnen. Ziemlich stark. Nach zwei Stunden waren wir komplett durchnässt. Das hatte zumindest den Vorteil, dass es unwichtig war, dass es immer weiter geregnet hat. Zwischendurch war das Wetter aber auch gut und wir hatten eine wundrschöne Aussicht. Die Straße war so wie ich sie von der Hinfahrt in Erinnerung hatte, nur das da der Sitz im Bus weicher war als eine Ladefläche. Nach fünf Stunden waren wir in Dili, dessen Hitze mir zum ersten Mal richtig angenehm vorkam. Nach einer Dusche (Kaltwasserkellendusche) habe ich mich wieder wie ein Mensch gefühlt.
Nun bin ich zurück zu Hause und um viele Eindrücke, interessante, skurrile Erlebnisse und unzählige Fotos reicher. Gestern haben wir die kleine Kapelle gestrichen in der meine Mitbewohner in zwei Wochen heiraten werden. Mit Jana zusammen beginnt heute ein neuer Englischkurs für nicht-CTID-Schüler, auf den ich mich sehr freue, weil es kein Curriculum gibt nach dem wir uns richten müssen.
Liebe Grüße (wieder aus Baucau),
Lina
Dennoch möchte ich gerne an meinem letzten Eintrag anknüpfen. Die wunderbare Begrüßung meiner Schülerinnen letzte Wochebegrüßt darf definitiv nicht vergessen werden. "Good morning, Mana Lina, you are so fat!". Ja, das sollte auch genau das heißen. Dabei strahlten sie mich alle an. Ich habe mich dann für das nette Kompliment bedankt und ihnen geraten, das nie wieder zu einem Ausländer zu sagen, da es manche Menschen sehr verletzen könnte.
Die Heilige Woche (also die Woche vor Ostersonntag, mit Gründonnerstag und Karfreitag) war frei. Gemeinsam mit meiner timoresischen Freundin Betty sollte es erst nach Suai an die Südküste und dann in die Berge nach Aituto gehen.
Am Sonntag sind wir also, natürlich nach der Messe, mit sieben weiteren Kolleginnen nach Dili gefahren. Ich habe bei der Familie meiner Betreuerin geschlafen und durfte, nach acht Monaten, endlich beim Kochen und Abwaschen helfen! Ein großer Triumph!
Am nächsten Morgen hat Betty mich früh morgens abgeholt und wir sind zu dem Platz gefahren an dem der Bus abfährt. Eigentlich ist das nur eine normale Straße mit ein paar Ständen an denen Brot, Getränke, Süßigkeiten und Zigaretten verkauft werden. Ich konnte sie mir sehr genau angucken, da der Bus erst nach vier Stunden kam. An dieser Stelle ein Hoch auf den Busfahrplan und zehnminütige Verspätungen. In diesen vier Stunden habe ich auch Fein- (und Grobstaub, wenn es so etwas gibt) für mindestens drei Menschenleben eingeatmet, weil ständig Trucks und Busse vorbeigefahren sind. Nur leider nicht nach Suai.
Irgendwann kam dann aber ein Bus mit der Aufschrift 'Dili-Suai' und nachdem 50 Menschen, unzählige Körbe und Plastiktüten, ein Käfig mit Hühnern und ein Motorad verstaut wurden, konnten wir fahren. Nach ca. 3 Minuten fingen die ersten Gespräche an, später wurde ich dann noch genötigt zu singen (zum Glück habe ich ein paar timoresische Lieder gelernt), wurde nach ganz vielen englischen Wörtern gefragt und musste natürlich ganz viele Fotos machen.
Ich wurde im Vorhinein ständig vor der schlechten Straße gewarnt und habe dies ein wenig als Überbesorgnis abgetan. Im Endeffekt waren alle Warnungen total berechtigt. Allein die Tatsache, dass wir für weniger als 200 km zwölf Stunden gebraucht haben (exklusive der halben Stunde Pause), spricht für sich. Aber es ist ja auch Ende der Regenzeit, jetzt ist die Straße auch am Schlechesten. Die Regel mit den 20 Minuten Pause nach zwei Stunden Fahrzeit ist hier noch nicht angekommen. Der Fahrer ist die 12 Stunden gefahren. Und das bei der Straße, der muss eine Konzentration haben!
Ein Rauchverbot ist in den öffentlichen Verkehrsmitteln leider nicht vorhanden. Ich saß eingekeilt zwischen einem Tiu (Onkel, also ein älterer Herr), Betty und einem 17-jährigen Jungen. Der ältere Herr und der Junge haben sich mit dem Rauchen quasi abgewechselt, sodass Betty und ich 12 Stunden passiv rauchen konnten. Soviel zum Thema, dass die Kultur die Gesundheit der Frauen schützt, da diese eher nicht rauchen.
Letzten Endes sind wir aber gut, wenn auch total erledigt, mitten in der Nacht bei den Nonnen in Suai angekommen. Es wurde sogar auf uns gewartet und obwohl ich eigentlich nur noch schlafen wollte, gab es erstmal etwas zu essen.
Am nächsten Tag wurde uns als erstes die neue Kirche gezeigt. Es ist die größte Kirche des Landes und passt so gar nicht in die Stadt (Foto folgt). Natürlich haben wir erstmal ganz viele Fotos vor dem Altar gemacht, wobei mir aufgefallen ist, dass man hier in einer Kirche ganz schön laut sein darf. Interessant war das Kreuz, das mit traditionellem Schmuck und gewebtem Stoff (tais) verziehrt war. Wieder einmal eine Vermischung von Christentum und traditionellem Glauben.
Nachdem das Wichtigste (die Kirche) also abgehakt war, wurde uns auch der Ort gezeigt. Suai ist die Hauptstadt des Distriktes Cova Lima (grenzt im Süden an die Timorsee und im Westen an Indonesien) und hat ca. 8 000 Einwohner. Nicht allzu groß also.
Für mich wichtig war die alte Kirche in der 1999 bei einem Massaker nach dem Unabhängigkeitsrefendum 200 Menschen getötet wurden. Auch sonst ist hier viel mehr von der Zerstörung zu sehen, die die Indonesier bei ihrem Abzug angerichtet haben. Viele Ruinen von Steinhäusern, die entweder komplett leer stehen oder bei denen ein Raum mit einem Dach bedeckt wurde, so dass ein Raum bewohnt ist, sind zu finden. Auch entschuldigte sich die Schwester mit der wir unterwegs waren, immer wieder für die schlechte Straße und sagte, dass die Straße in der indonesischen Zeit sehr gut war, wie die Häuser aber 1999 zerstört wurde.
Auch waren wir am Strand. Baucau liegt an der Nordküste, also an der Bandasee (Tetum: tasi-feto, Frauenmeer), Suai an der Südküste, also an der Timorsee (Tetum: tasi-mane - Männermeer). Warum diese Namensgebung? Ganz einfach. Das Frauenmeer ist ruhig, man kann sehr gut schwimmen gehen. Das Männermeer ist rau und hat starke Wellen. Und natürlich das Öl im Timorgraben. Dahinter liegt Australien.
Fünf Minuten mit dem Auto vom Strand kommt Öl aus dem Boden. Mitten in der Landschaft, nur ein paar Ziegen stehen in der Gegen herum. Auf Nachfrage hat mir die Schwester erzählt, dass aber auch schon Chinesen und Australier da gewesen seien und dass es Pläne gibt für eine Leitung nach Darwin.
Am Abend haben wir mit den Schwestern timoresische Nachrichten geschaut. Ganz viel Nationales, am Ende dann drei Minuten internationale Nachrichten. Eine Minute zur Ukraine und danach Fußball. Zu meiner Belustigung war als Bildquelle durchgehe 'Youtube.de' angegeben.
Wo ich jetzt schon einmal im Westen Osttimors war, meinten die Schwestern, müsse ich jetzt auch bis zur Grenze fahren.
Das war definitiv eine merkwürdige Angelegenheit. Aber gut, so sind wir ohne Reisepass im Gepäck zur timoresisch-indonesischen Grenze gefahren. Die Grenzbeamten waren sichtlich erstaunt eine Nonne und eine Weiße im Auto zu sehen. Gar nicht erstaunt waren sie allerdings, als die Schwester sagte, wir wollten uns nur die Grenze anschauen. Und so bekamen wir eine Führung, bei der uns auch ganz stolz der Röntgenapparat am Zoll und die zwei Zellen gezeigt wurden. Und natürlich musste ein Foto gemacht werden, bevor wir zum Meer gefahren und schwimmen gegangen sind. Wobei, eigentlich waren wir nicht schwimmen, sondern nur vorne in den Wellen, da das Mädchen, das mit uns gekommen ist nicht schwimmen konnte.
Beim Abendessen stand eine der Schwestern auf (sehr ungewöhnlich! ) und kam mit einer Dose Bier zurück. "Du bist doch eine Deutsche!" Manche Vorurteile sind gar nicht so schlecht.
Nachdem ich mein Bier getrunken hatte, guckte meine Freundin mich an und fragte ob ich jetzt betrunken sei.
Um zwei Uhr in der Nacht klingelte dann mein Wecker und der Bus nach Aituto kam. So pünklich, dass ich ganz perplex war.
Aber da ja nicht alles nach Plan laufen kann war die Brücke nur kurz hinter Suai blockiert. Die Holzbolen (wer baut eine Brücke aus Holz für schwere Trucks, wenn es ständig regnet? ) hatten dem Gewicht eines total überladenen Trucks nachgegeben, der nun feststeckte. Drei Stunden später (kurz vor Sonnenaufgang) war der Truck dann befreit und die Brücke mit eigens dafür gefällten Baumstämmen repariert. Wir durften vorne sitzen, was bedeutet, dass meine Beine nur halb eingeklemmt waren. Die Musik war ganz gut (relativ wenige schlechte Cover oder indonesische Popmusik, dafür ab und an mal Queen).
In den Bergen sind mir die vielen Fretilinflaggen (eine Partei aus der auch der bewaffnete Widerstand hervorging) und Falintilflaggen (der bewaffnete Arm der Fretilin) aufgefallen. In Baucau sieht man diese nur ab und an. Und die vielen Kaffepflanzen!
Die Berge erinnern teilweise ein wenig an die Alpen (sind auch beides alpidische Faltengebirge - danke Erdkunde-LK!). Und Abends ist es sehr, sehr kalt. Ich habe (vermutlich ein wenig übertrieben) mit Abipullover, Wollsocken und zwei Wolldecken geschlafen. Tagsüber war es wärmer, aber ab 5 Uhr abends haben wir gefroren!
Gewohnt haben wir bei Ordensbrüdern. Ein wenig schockiert war ich, dass einer von ihnen dachte, die evangelische Kirche wäre aus Hitler hervorgegangen. Egal wo man hinkommt, er begegnet einem immer wieder. Also ein kleiner Ausflug in die deutsche Geschichte und auch in die Kirchengeschichte. Als Entschuldigung gab es Wein zum Abendbrot.
Abends gab es dann zweieinhalbstündige Gründonnerstagsmesse (Gründonnerstag wird dem letzten Abendmahl gedacht und die Füße einiger Gemeindemitglieder vom Priester gewaschen). Ich war zum ersten Mal die einzige Weiße in einer Messe und wurde entsprechend angestarrt. Ich habe das Gefühl, dass sich nicht allzu häufig Malae nach Aituto verirren. Leider gab es keine Bänke, so dass wir die ganze Zeit stehen mussten.
Wieder wurde viel timoresische Kultur mit in die Messe eingewebt. Ich weiß nicht mehr was, aber etwas wurde durch den Mittelgang zum Altar getragen, dabei tanzten kleine Mädchen in Tais einen traditionellen Tanz. Auch die alten Männer, deren Füße gewaschen wurden, trugen Tais und traditionellen Silberschmuck. Der Katholizismus ist hier halt noch nicht allzu lange großflächig verbreitet.
Der Karfreitag begann mit einer Prozession und den Stationen des Weges zu Jesu Kreuzigung. Die Geschichte wurde nachgespielt, mit den Soldaden auf Pferden und einem Jesus der am Ende ans Kreuz gebunden wurde. Das gesamte Dorf war dabei, vom kleinen Baby bis zu ganz alten Menschen. Der Weg war sehr matschig, ich war sehr froh, das ich meine Flipflops glech zu Hause gelassen hatte.
Danach wurde den ganzen Tag (na gut, fast) gebetet während ich mich klammheimlich aus dem Staub und einen ganz langen Spaziergang gemacht habe. Während ich in Baucau die katholische Messe sehr schön und erade die Predigten des Bischofs echt gut finde, hat mich derPriester in Aituto in den Wahnsinn getrieben. Es schien ein wenig, als wäre er der Mejnung, er habe als einziger Mensch die Bibel verstanden und die dumme Gemeinde müsse nun belehrt werden.
Später sind wir noch zum Einkaufen nach Ainaro ("Stadt") gefahren (2 Stunden hin, 2 zurück). Da das Auto sehr voll war, bin ich auf der Ladefläche gefahren. Normalerweise ein Riesenspaß, aufgrund der Straße diesmal aber streckenweise ein wenig schmerzhaft. Dafür habe ich ein neues Lied gelernt.
Der Karsamstag begann unerwartet sehr früh (5 Uhr), da Betty beschlossen hatte, das Badezimmer putzen zu müssen und das Licht nur in beiden Zimmern gleichzeitig anzuschalten ist. Also habe ich mir (mit dickem Pullover und in eine Wolldecke gewickelt) den Sonnenaufgang angeschaut und mich später bei Betty bedankt (obwohl ich gerne länger geschlafen hätte und das Badezimmer nicht dreckig war!) Den ganzen Tag hat das gesamte Dorf auf dem Kirchengelände alles für den Ostersonntag vorbereitet. Ich durfte überall helfen (kochen, Osterfeuer vorbereiten, Kirchenschmuck vorbereiten und und und) und musste wieder viele Fotos machen (lustigerweise war es diesmal umgekehrt und ich wurde gefragt. Normalerweise frage ich, ob ich fotografieren darf.)
Das Osterfeuer wollte später nicht richtig brennen, also wurde ordentlich Benzin reingesprüht. Immerhin wurde kein Plastik mitverbrannt.
Danach gab es wieder eine Messe (3 Stunden, ohne Sitzmöglichkeit) und danach ein Essen bei den Brüdern. Ich wurde mit den 9 Dorfältesten an den einzigen Tisch im Haus gesetzt. Das war unglaublich witzig! Und Bettys Frage nach dem Betrunkensein hatte plötzlich einen Sinn. Nach zwei Dosen Tiger-Bier waren die Herren beschwipst.
Der Ostersonntag begann mit den Tischgesprächen vom Vorabend. Die hatte Betty nämlich mit ihrem Handy aufgenommen und hörte sie sich nun als Guten-Morgen-Geschichte noch einmal an.
Die Ostermesse war zum Glück nur zwei Stunden lang, denn die wollte ich nicht schwänzen. Gut so, denn am Ende wurden wir nach vorne gerufen und bekamen einen Tais geschenkt. Dann sollte ich vor der gesamten Gemeinde ein paar Worte sagen. Der Priester vor mir hatte mit "Viva Igresia (Kirche) Aituto, Viva Glaubensgemeinschaft der Canossianer, Viva Papst Franziskus" schon die ganze Gemeinde wachgerüttelt. Es hat aber gereicht, die Rede eibfach auf Tetum zu halten und mich für die Messen, die Gastfreundschaft und die gemeinsame Zeit der Vorbereitung auf das heilige Osterfest zu bedanken. Auch nicht vergessen habe ich meine Madre in Baucau, deren Idee die Reise war und Maromak (Gott), der Bettys und meinen Weg nach Aituto geleitet hat. Und, um das Ganze echt timoresisch zu machen, habe ich mich noch für die mir gegebene Zeit und den mir gegebenen Raum für die Rede bedankt und mich entschuldigt, falls ich jemanden verärgert haben sollte.
Dann ging es auch schon zurück nach Dili. Ich wusste, dass zwei der Brüder uns mit dem Auto mitnehmen wollten. Ich wusste aber nicht, dass es ein Polizeiauto mit zwei bewaffneten Polizisten sein sollte (einer ist der Cousin des einen Priesters, deswegen, nicht wegen der Sicherheit). Nun war ein Platz im Auto für mich eingeplant, Betty aber sollte auf der Ladefläche sitzen. Da mir das unmöglich erschien, fand ich mich also auf der Ladefläche zwischen einem Sack Reis, zwei Koffern, mehreren Päckchen und vier Menschen wieder. Und weil wir ja in den Bergen waren, fing es auch ziemlich bald an zu regnen. Ziemlich stark. Nach zwei Stunden waren wir komplett durchnässt. Das hatte zumindest den Vorteil, dass es unwichtig war, dass es immer weiter geregnet hat. Zwischendurch war das Wetter aber auch gut und wir hatten eine wundrschöne Aussicht. Die Straße war so wie ich sie von der Hinfahrt in Erinnerung hatte, nur das da der Sitz im Bus weicher war als eine Ladefläche. Nach fünf Stunden waren wir in Dili, dessen Hitze mir zum ersten Mal richtig angenehm vorkam. Nach einer Dusche (Kaltwasserkellendusche) habe ich mich wieder wie ein Mensch gefühlt.
Nun bin ich zurück zu Hause und um viele Eindrücke, interessante, skurrile Erlebnisse und unzählige Fotos reicher. Gestern haben wir die kleine Kapelle gestrichen in der meine Mitbewohner in zwei Wochen heiraten werden. Mit Jana zusammen beginnt heute ein neuer Englischkurs für nicht-CTID-Schüler, auf den ich mich sehr freue, weil es kein Curriculum gibt nach dem wir uns richten müssen.
Liebe Grüße (wieder aus Baucau),
Lina