Was findet in der Pousada (Baucaus Luxushotel) statt, wenn zwanzig nagelneue glänzende weiße Geländewagen davor parken? Natürlich, das Finanzministerium hat dort eine Veranstaltung!
Anfang Mai war Santa Madalenas Heiligentag. Madalena de Canossa hat den Orden der Canossianerinnen gegründet, die das CTID leiten. Deswegen war morgens auch eine lange Andacht. Danach sind Schülerinnen und Mitarbeiterinnen in Kleingruppen zu den Alten und Kranken Baucaus gefahren um gemeinsam zu beten, ganz in Madalenas Sinne. Interessant war der Austausch der Gruppen danach. In Timor begegnet man normalerweise keinen behinderten Menschen. Nun war eine der Gruppen in einem Heim für Behinderte um dort zu beten. Die Schülerinnen waren nicht etwa geschockt von den Behinderungen. Nein, sie waren geschockt, dass die Familien ihre Verwandten so abschieben und haben am Ende beschlossen, dass sie, wenn sie ein behindertes Kind bekommen sollten, es nicht weggeben werden.
Nach der ersten Zeit im CTID (Januar bis Anfang Mai), wo alle Schülerinnen alles lernen, wurden sie nun in ihre Spezialisierungen (Kochen, Nähen, Administration) eingeteilt. Das führt dazu, dass auf einmal 37 Schülerinnen vor einem sitzen statt 29. Und ja, acht Schüler machen einen verdammt großen Unterschied.
Wie kann ein Arzt lernen zu entbinden, bevor er eine Geburt vornimmt? Dazu gibt es Plastikbäuche mit einem Plastikbaby und unechtem Blut zu Üben im Internet für nur 825 US-$. Auch wenn das nichts mit meiner Arbeit zu tun hat (wie immer: ein Freund von mir ...), fand ich es sehr lustig.
Wir hatten ein weiteres Staffmeeting. Plan: Gebet, Berichte der Reisen nach Bali (dreimonatiger Weiterbildungskurs), Thailand (Partnerseminar) und eine Stadt westlich von Dili (auch ein Seminar), weitere Informationen (nichts Weltbewegendes), gemeinsames Mittagessen mit Geburtstagsfeiern. Es war ganz interessant, nur zu lang! Eine timoresische Power-Point-Präsentation beinhaltet nämlich auch immer die Elemente: "Hier haben wir geschlafen/gegessen, das ist der Flughafen in Bali, am Abend haben wir das und das gemacht).
Ein Freund hat Rena geholfen ein Schild für den neuen Laden ehemaliger Schülerinnen zu malen (die Fotos hatte ich schon hochgeladen). Er musste aber um halb sieben weg, weil (und jetzt wird’s lustig), Gott zu seiner Familie zu Besuch kam. In Osttimor besucht Gott nämlich im Mai jede Familie. Zu uns kam er leider nicht, vielleicht wegen der mangelnden Blutsverwandschaft oder weil nur ein Viertel der Bewohner unseres Hauses katholisch sind (bei vier Bewohnern).
Mit Inge (meiner Betreuerin) und ihrer Familie bin ich auf einen Berg gewandert. Von dort konnte man beide Meere sehen, das im Norden (tasi-feto, das Frauenmeer) und das im Süden (tasi-mane, das Männermeer). Unglaublich, dass es zwölf Stunden gedauert hat um mit dem Bus von einer Seite zur anderen zu kommen. Zugegebenermaßen sind die Berge schon ein Hindernis. Auch ist mir klar geworden, wie der Widerstand sich 24 Jahre in den Bergen gegen die indonesische Armee halten konnte.
Letztes Wochenende war ich dann das vermutlich letzte Mal in Dili (abgesehen davon, dass ich dort zum Flughafen muss) um ein „paar“ Sachen einzukaufen – um ehrlich zu sein bin ich jetzt quasi arm. Aber es war sehr, sehr lustig. Meine Mitbewohnerin hatte am Montag Geburtstag, also wollte ich einen Massagegutschein für sie kaufen. Dazu habe ich erstmal selbst umsonst eine bekommen.
Der Bruder meiner Freundin, bei der ich in Dili immer schlafe, wird demnächst heiraten. Da sie nicht hinfliegen kann, möchte sie ein Video machen. Dafür durfte ich dann im Kitschkleid mit I love Bon Jovi- Stirnband und übertriebensten Gesten „Bed of Roses“ singen. Spaß hat es auf jeden Fall gemacht!
Dann hat Baucau sich geschmückt – schwarz, rot, gelb, weiß (die Nationalfarben) – da der 20.05. der zweite Unabhängigkeitstag war (der erste war der November 1975 als die Unabhängigkeit von Portugal verkündet wurde. Tage später annektierte Indonesien Timor-Leste, was bis 1999 auch so blieb. Es folgte die Zeit unter UN-Verwaltung bis Timor-Leste am 20.05.2002 der erste neu gegründete Staat im 21. Jahrhundert wurde). Timor-Leste ist jetzt stolze zwölf Jahre alt, weswegen es auch einen Tag frei gab. Zum Flagge-Hissen bin ich nicht gegangen, da ich dort schon beim ersten Unabhängigkeitstag war und es mir viel zu viele Reden gab. Also habe ich den freien Tag zum Haus putzen, Wäsche waschen und dazu ein paar angesammelte Sachen zu erledigen genutzt. Aber witzig, dass man den Leuten in Timor zweimal jährlich einen schönen Unabhängigkeitstag wünschen kann.
Der Tag begann allerdings damit, unsere neu gekauften Hühner zu entwirren, die an den Beinen angebunden waren und sich total verheddert hatten. Unser Hühnerstall ist noch nicht ganz fertig, es fehlen Tür und Dach (in Timor können Hühner nämlich fliegen, die Flügel waren nicht gestutzt), aber sechs Hühner haben wir schon. Mal sehen, ob der Stall noch fertig wird, bevor ich wieder in Braunschweig bin. Hiermit auch die offizielle Ankündigung: am 7. Juni geht es für mich wieder zurück, also bin ich am 8. Juni wieder zurück in Braunschweig. Wie es mir damit geht? So ganz weiß ich das nicht. Aber ich freue mich schon auf meine Familie, meine Freunde, mein Bett (keine Holzlatten die ich im Rücken spüre!), meine Federbettdecke, richtige Schokolade und darauf auch in der Dunkelheit draußen sein zu können.
Ganz liebe Grüße aus Baucau,
Lina